Eine Geschichte von Landfrau Margot Hanke

Die kleine Freundin vom Schnee

Liebe Landfrauen,

sie ist nicht die größte, nicht die schönste, nicht die eindrucksvollste, aber für mich die wichtigste Blume, die es in meinem Leben gibt.

Es ist nicht die stolze, duftende Rose und nicht das Veilchen, das so oft besungen wurde. Nein, zu diesen besungenen und in Reimen gefassten Blumen gehört sie nicht.

Die stolze Lilie, die großblütige Chrysantheme oder die wetterharte Ringelblume, sie alle erfüllen nicht den Zweck, den meine Lieblingsblume erfüllt.

 

Die Entstehungsgeschichte dieser kleinen, eigentlich unscheinbaren Blume ist nicht sehr bekannt.

Ich werde sie Euch kurz erzählen: Als der liebe Gott die Welt erschuf, gab es auch einen Termin, wo die Blumen ihren Namen und ihre Farben bekamen. Nach diesem Termin waren alle Blumen glücklich und zufrieden. Selbst der Kaktus war glücklich, dass er zwar außergewöhnlich und meist sehr selten blüht, dafür aber von den Menschen mit Ehrfurcht wegen seiner Stacheln behandelt wurde. Farben und Düfte waren von Gott in Unmengen an die Blumen und Pflanzen vergeben worden.

Und dann sah Gott sie: meine kleine, besondere Blume.

Er hatte aber keine Farben und keine Düfte mehr für die kleine Blume. Alles, was er an Farben und Düften zur Verfügung hatte, war schon verteilt worden. Keine der anderen Blumen war bereit, etwas von ihrer Farbe oder ihrem köstlichen Duft abzugeben. Typisch! Traurig und geknickt sah die kleine Blume aus.

Keine Farbe, kein Duft war mehr für sie übrig.

Es war zum Erbarmen, sie so niedergeschlagen zu sehen. Das sah auch der Schnee, dem der liebe Gott schon bei einem anderen, früheren Termin seine Kälte und sein strahlendes Weiß gegeben hatte.

Der Schnee sprach das kleine traurige Blümlein an: „Liebes Blümlein, Du bekommst von mir etwas von meinem strahlenden Weiß und das Versprechen einer ewigen Freundschaft! Ich verspreche Dir, Du wirst das einzige Blümchen sein, das nicht von meiner Kälte oder dem Frost zerstört wird. Ich lege meine Schneeflocken ab jetzt immer in einem lockeren Kreis um Dich herum und beschütze Dich.“

Das hörte auch der liebe Gott und war dem Schnee dankbar für seine Güte.

Damit er dem Schnee seinen Dank ausdrücken und ihm auch eine Freude bereiten konnte, gab er dem Blümchen die Gabe, ganz zart und fein zu läuten. Auch ein Name für dieses Blümchen war von Gott und mit Hilfe des Schnees schnell gefunden.

Schneeglöckchen sollte es heißen!

Und so ward es beschlossen. Zart und leise klang das Glöckchen, als sich das Blümchen beim Schnee für die Farbe und die Freundschaft bedankte. Nicht nur, dass ich diese kleine Geschichte so liebe. Nein, für mich ist das erste Schneeglöckchen etwas ganz Besonderes. Schon Mitte Januar gehe ich mit suchendem Blick durch den Garten. Kenne die Stellen, wo ich vorsichtig das Laub zur Seite schiebe, um zu sehen, ob die ersten Spitzen durch die Erde sprießen.

Bildquelle: Petra Bork/pixelio.de

Das neue Jahr fängt dann für mich an, wenn ich das erste Schneeglöckchen sehe.

Es bedeutet für mich immer wieder, dass es einen neuen Anfang gibt. Die Natur hat wieder einmal ihren Lauf genommen. Das Jahr beginnt neu: Nach den Schneeglöckchen kommen die Winterlinge, danach die Tulpen u.s.w., die Erde zeigt der Menschheit ihr farbenprächtiges Gesicht.

Es zeigt uns, nach schweren Zeiten im alten Jahr, ob Überschwemmung, Stürme, Dürre oder wie letztes Jahr Corona, dass es immer wieder einen neuen Anfang gibt.

Ich habe heute das erste Schneeglöckchen gesehen.

Ich habe heute auch die Nachrichten mit den neuesten Corona-Zahlen gesehen. So, wie es seine Zeit dauert, bis in den Gärten alles in Blüte seht, so wird es auch noch seine Zeit dauern, bis wir Corona hinter uns haben. Aber das Schneeglöckchen gibt mir wieder einmal Mut und Zuversicht.

Es wird auch wieder eine Zeit ohne Corona geben. In diesem Sinn schaut in Euren Garten und sucht das erste Schneeglöckchen. Sucht den Anfang eines neuen Jahres, in dem wir Corona besiegen.

Herzliche Grüße Margot Hanke

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